Immobilien- & Baurecht
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Änderung der Rechtsprechung des BGH: Urheberrechtsschutz besteht auch bei vollständiger Vernichtung von urheberrechtlich geschützten Werken, d.h. Interessenabwägung ist nun wohl auch beim Abriss von Bauwerken erforderlich

19. Februar 2019 von Dr. Jan Dittmann, Juliana Fuhst

Der Bundesgerichtshof („BGH“) hat in drei Urteilen vom 21.02.2019 (I ZR 15/18, I ZR 98/17 und I ZR 99/17) entschieden, dass der Urheberrechtsschutz auch für die komplette Zerstörung von urheberrechtlich geschützten Werken gilt.

SACHVERHALT

Im Fall I ZR 15/18 gestalteten die klagenden Künstler Räume einer Minigolfanlage, welche der Beklagte als Pächter betrieb. Ein Jahr nach Eröffnung der Minigolfanlage baute der Beklagte die Räume um, wobei die Installationen entfernt wurden. Das Landgericht hat die Klage der Künstler auf Schmerzensgeld wegen der Entfernung ohne Interessenabwägung abgewiesen. Auf die Revision der Künstler hat der BGH das Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen, damit das Landgericht für die neue Entscheidung umfassend die Interessen des Urhebers und des Eigentümers abwäge. Die Forderung nach einer umfassenden Gesamtabwägung bestätigte der BGH auch in den weiteren Urteilen (I ZR 98/17 und I ZR 99/18). Dort verneinte er die eingeklagten Ansprüche einer Künstlerin wegen (geplanter) Entfernung ihrer Installationen aus dem Museum, da die Interessen des Museumsbetreibers an der Baumaßnahme nach umfassender Interessenabwägung überwogen.

WESENTLICHE AUSSAGEN DER BGH-ENTSCHEIDUNGEN

Nach der Aussage des BGH ist nicht mehr danach zu differenzieren, ob ein urheberrechtlich geschütztes Bauwerk nur teilweise oder komplett beseitigt wird. Auch bei der kompletten Beseitigung besteht Urheberrechtsschutz, sodass die Beseitigung nur dann zulässig ist, wenn die Interessen des Eigentümers die des Urhebers überwiegen.

In Folge der Rechtsprechung des BGH kann der Urheber / Architekt ggf. die Unterlassung des Abrisses seines urheberrechtlich geschützten Bauwerks bzw. die Rückgängigmachung dessen Entfernung (in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit) verlangen. Bei schuldhafter Entfernung kann er zudem Schadenersatz (Herausgabe des Gewinns des Bauherrn oder angemessene Vergütung, wenn der Bauherr die Erlaubnis für die Nutzung eingeholt hätte) und bei schwerwiegenden Verletzungen Schmerzensgeld verlangen. Entscheidend ist, dass seine Interessen die des Eigentümers überwiegen.

Bei dieser Interessenabwägung ist auf Seiten des Urhebers zu berücksichtigen, ob es sich bei dem vernichteten Werk um das einzige Vervielfältigungsstück handelt, welche Gestaltungshöhe das Werk aufweist und ob es ein Gegenstand der zweckfreien Kunst ist oder als angewandte Kunst einem Gebrauchszweck dient. Auf Seiten des Eigentümers können, wenn ein Bauwerk oder Kunst in oder an einem solchen betroffen ist, bautechnische Gründe oder das Interesse an einer Nutzungsänderung von Bedeutung sein.

Bei Werken der Baukunst oder mit Bauwerken unlösbar verbundenen Kunstwerken werden die Interessen des Eigentümers an einer anderweitigen Nutzung oder Bebauung des Grundstücks oder Gebäudes den Interessen des Urhebers am Erhalt des Werks in der Regel vorgehen, sofern sich aus den Umständen des Einzelfalls nichts anderes ergibt.

FAZIT / PRAXISTIPP:

Angesichts dieser Entscheidungen ist bei neu abzuschließenden Bau- und Architektenverträgen zu einer der neuen Rechtsprechung entsprechenden vertraglichen Regelung zum Urheberrecht zu raten. Bauherren können dadurch - in den gesetzlichen Grenzen und den Grenzen der Rechtsprechung - etwaigen Unterlassungs- und Schadenersatzansprüchen des Urhebers / Architekten vorbeugen. Urheber / Architekten können besondere Urheberrechtsinteressen als vorrangig festschreiben, da bei Abrissmaßnahmen die Eigentümerinteressen in der Regel überwiegen.