Wer muss bei unwirksamer Schönheitsreparaturenklausel renovieren?
Diese Frage hat der BGH nun am 08.07.2020 (Pressemitteilung hier) entschieden. Ein Mieter, dem eine unrenovierte Wohnung überlassen wurde und bei dem gleichzeitig die Schönheitsreparaturenklausel im Mietvertrag unwirksam ist, kann vom Vermieter die Durchführung von Schönheitsreparaturen verlangen. Voraussetzung ist, dass sich der Zustand der Wohnung seit Mietbeginn wesentlich verschlechtert hat. Allerdings hat sich der Mieter nach Treu und Glauben an den hierfür anfallenden Kosten (regelmäßig zur Hälfte) zu beteiligen.
Hintergrund der Entscheidung sind zwei Verfahren vor dem Landgericht Berlin (VIII ZR 163/18 und VIII ZR 270/18) zum Wohnraummietrecht. In beiden Verfahren haben die Mieter die von ihnen angemieteten Wohnungen im unrenovierten Zustand ohne Erhalt einer Kompensationszahlung überlassen bekommen, so dass die in den Mietverträgen enthaltene Übertragung der Verpflichtung zur Durchführung regelmäßiger Schönheitsreparaturen auf den Mieter unwirksam ist (vgl. BGH, Urteil vom 18.03.2015 – VIII ZR 185/14 - BGHZ 204, 303).
In einer solchen Konstellation stellte sich in der Praxis seit längerer Zeit die vom BGH nun entschiedene Frage, ob und inwieweit der Vermieter anstelle des Mieters zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet ist:
- Der BGH hat bestätigt, dass den Vermieter in diesem Fall die gesetzliche Instandhaltungspflicht trifft, wenn sich der anfängliche Dekorationszustand wesentlich verschlechtert hat. Ein Indiz für eine wesentliche Verschlechterung kann ein langer Zeitablauf seit Mietbeginn (vorliegend 14 bzw. 25 Jahre) sein.
- Ausgangspunkt der Beurteilung bildet der Zustand der Wohnung im Zeitpunkt der Überlassung an den jeweiligen Mieter (also der unrenovierte Zustand, in dem die Wohnung angemietet und übernommen wurde).
- Die Wiederherstellung dieses (vertragsgemäßen) Anfangszustandes ist jedoch in der Regel nicht praktikabel, wirtschaftlich nicht sinnvoll und auch nicht im Interesse vernünftiger Mietvertragsparteien. Vielmehr ist allein eine Durchführung von Schönheitsreparaturen sach- und interessengerecht, durch die die Wohnung in einen frisch renovierten Zustand versetzt wird. Da hierdurch auch die Gebrauchsspuren aus der Zeit vor dem gegenwärtigen Mietverhältnis beseitigt werden und der Mieter nach Durchführung der Schönheitsreparaturen eine Wohnung mit einem besserem als dem vertragsgemäßen Zustand bei Mietbeginn erhält, gebietet es der Grundsatz von Treu und Glauben die jeweiligen Interessen der Vertragspartner in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.
- Vor diesem Hintergrund kann der Mieter einerseits vom Vermieter eine "frische" Renovierung verlangen, er hat sich aber andererseits in angemessenem Umfang an den dafür erforderlichen Kosten zu beteiligen. Soweit nicht Besonderheiten vorliegen, wird dies regelmäßig eine hälftige Kostenbeteiligung bedeuten.
- Der Mieter kann vom Vermieter die Vornahme von Schönheitsreparaturen verlangen; in diesem Fall kann der Vermieter seine Leistung von der Kostenbeteiligung des Mieters (nach Art eines Zurückbehaltungsrechts) abhängig machen. Der Mieter kann aber auch die Zahlung eines Kostenvorschusses verlangen, wenn der Vermieter mit den Schönheitsreparaturen in Verzug geraten ist; in diesem Fall führt die Kostenbeteiligung des Mieters zu einem entsprechenden Abzug von den voraussichtlichen Kosten.
Ob und inwieweit die Grundsätze auf das Gewerbemietrecht übertragen werden können, hat der BGH in der Entscheidung keine Aussage getroffen. In der Vergangenheit wurden die Grundsätze der Rechtsprechung zu Schönheitsreparaturen im Wohnraummietrecht im Gewerbemietrecht regelmäßig übernommen, so dass mit einer entsprechenden Übertragbarkeit auch in diesem Fall gerechnet werden muss.
FAZIT / PRAXISTIPP
Auch wenn im Lichte dieser neuen Entscheidung des BGH das Risiko besteht, dass eine solche Klausel im Nachgang gerichtlich „kassiert“ werden kann, empfehlen wir für neu abzuschließende Mietverträge die Aufnahme einer Regelung, nach der der Vermieter von der Durchführung von Schönheitsreparaturen freigestellt wird.