Verschärfung der Zweckentfremdungssatzung München unwirksam: Wohnraum ist Wohnraum – solange die Bilanz stimmt!
Zum Jahresbeginn 2020 hat die Landeshauptstadt München (LHM) die Zweckentfremdungssatzung (ZeS) geändert. Mit dieser Änderung wurden die Genehmigungskriterien für einen Ersatzneubau nach Abbruch wesentlich verschärft (HEUSSEN berichtete). Diese Verschärfung hat der VGH München mit seinem Beschluss vom 20. Januar 2021 (Az. 12 N 20.1706) allgemein verbindlich für unwirksam erklärt. Der LHM steht – wie von HEUSSEN seinerzeit angenommen – bereits keine Satzungskompetenz zu.
Damit entfallen die folgenden drei Kriterien hinsichtlich des Ersatzwohnraumes:
- Ersatzwohnraum ist in der Regel in demselben Stadtbezirk wie der zweckzuentfremdende Wohnraum oder in vergleichbarer räumlicher Nähe zum zweckzuentfremdenden Wohnraum zu schaffen (§ 7 Abs. 2 Ziff. 1 S. 2 ZeS).
- Vermieteter Wohnraum darf nur durch Mietwohnraum ersetzt werden (§ 7 Abs. 2 Ziff. 5 S. 2 ZeS).
- Die Miethöhe hat sich dabei an der ortsüblichen Vergleichsmiete nach dem jeweils gültigen Mietspiegel für München zu orientieren (§ 7 Abs. 2 Ziff. 5 S. 3 ZeS).
1. Hintergrund
Wer im Geltungsbereich der Zweckentfremdungssatzung Wohnraum beseitigen möchte, benötigt hierzu eine Genehmigung durch das Sozialreferat München (§ 5 Abs. 1, § 4 Abs. 1 S. 2 Ziff. 5 ZeS). Die Genehmigung zum Abbruch des Wohnraums wird in der Regel erteilt, wenn ein beachtliches Angebot zur Errichtung von Ersatzwohnraum vorliegt (§ 7 Abs. 1 S. 1 ZeS). In § 7 Abs. 2 ZeS hat die Landeshauptstadt München Voraussetzungen aufgeführt, bei deren Erfüllung ein solches beachtliches Angebot angenommen wird.
Um der ständig steigenden Knappheit an bezahlbarem Wohnraum sowie den unaufhaltsam steigenden Neuvermietungs-Mieten entgegenzuwirken, hat die LHM eben diese Voraussetzungen im Zuge der letzten Änderung erheblich verschärft.
2. Beschluss des VGH München
Diese im Grunde nachvollziehbaren Motive können jedoch nicht im Rahmen der Zweckentfremdungssatzung umgesetzt werden. Die von der LHM eingeführten Einschränkungen sind von der Ermächtigungsgrundlage (Art. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 S. 1 Ziff. 2 ZwEWG) nicht gedeckt. Denn wie der VGH München in seinem Urteil betont: „Die Regelungen über die Zweckentfremdung [stellen] grundsätzlich keine Instrumentarien zur Einflussnahme auf den Wohnungsmarkt, insbesondere auf die Miet- und Immobilienpreisentwicklung zur Verfügung“ und können daher nicht eingesetzt werden, um „allgemein unerwünschte oder schädliche Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt zu unterbinden“.
a) Keine Vorgabe hinsichtlich der Art des Wohnraumes
Das Zweckentfremdungsgesetz zielt auf die Erhaltung des „Gesamtwohnraumangebotes“ ab und schützt den Wohnraumbestand nicht um seiner selbst Willen. Solange durch den Ersatzneubau die Gesamtbilanz an Wohnraum nicht negativ beeinflusst wird, kann die Verfügungsbefugnis und Privatautonomie des Eigentümers nicht weiter eingeschränkt werden.
Für die Bewertung des Ersatzwohnraumes kann es daher nicht darauf ankommen, ob es sich um Miet- oder Eigenwohnraum handelt. Bestehende Mietwohnungen können daher abgerissen und durch Eigentumswohnungen ersetzt werden Auch eine Unterscheidung zwischen Mietwohnungen und selbstgenutzten Wohnungen ist nicht gerechtfertigt.
Hinweis: Dies gilt nur für die Genehmigung nach der ZeS. Andere städtebauliche Restriktionen, wie Milieuschutzsatzungen können dem weiterhin entgegenstehen.
b) Keine Vorgabe hinsichtlich der Miethöhe
Auch hinsichtlich der Miethöhe für den Ersatzneubau dürfen der Genehmigung keine einschränkenden Nebenbestimmungen hinzugefügt werden. Für eine solche Mietpreisregelung steht der LHM keine Satzungskompetenz zu.
Dahinter dürfte die von der Antragstellerin angeführte Argumentation stehen, dass der Bundesgesetzgeber durch die zivilrechtlichen Bestimmungen zur ortsüblichen Vergleichsmiete (§§ 556 d ff. BGB) von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Ziff. 1 GG erschöpfend Gebrauch gemacht hat.
c) Keine örtliche Beschränkung
Für Beurteilung des Ersatzwohnraumes ist zudem unbeachtlich, an welcher Stelle im Gemeindegebiet der Wohnraum errichtet wird. Auch hier ist allein die Gesamtbilanz innerhalb des Gemeindegebietes maßgeblich. Zukünftig kann somit nicht mehr vorgegeben werden, dass der Ersatzwohnraum innerhalb des Stadtbezirks bzw. in vergleichbarerer Nähe geschaffen werden muss.
3. Ausblick
Bislang hat die LHM die Zweckentfremdungsatzung nicht angepasst. Dennoch sind die Regelungen des § 7 Abs. 2 Ziff. 1 S. 2, Ziff. 5 S. 2 und 3 ZeS unwirksam. Eine Versagung der Genehmigung kann daher nicht mehr auf die jeweiligen Kriterien gestützt werden. Es bleibt abzuwarten, inwiefern die LHM zukünftig versuchen wird, die Umwandlung von Mietwohnungen in Wohnungseigentum vermehrt über das Instrument der Erhaltungssatzungen zu verhindern.