Unter welchen Bedingungen kann Wohnraum in München heute noch für kurze Zeiträume vermietet werden?
Die Stadt verschärft im Kampf um den knappen Wohnraum ihre Zweckentfremdungssatzung. Die Kurzzeitvermietung von Wohnraum an Dritte ist für Anbieter wie Airbnb, aber auch Anbieter sogenannter Businessapartments ein beliebtes Geschäftsmodell. Die Stadt München hat im Kampf um den immer knapper werdenden Wohnraum ihre Zweckentfremdungssatzung (ZeS, Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum) Ende 2017 nochmals verschärft, um gerade auch gegen solche Geschäftsmodelle vorgehen zu können. Die Stadt München verzeichnet seit Jahren eine anhaltende Zunahme des Angebots an Ferienwohnungen im Stadtgebiet. Nach Angaben des Sozialreferats München stehen derzeit ca. 1000 Wohnungen unter einem begründeten Anfangsverdacht einer Zweckentfremdung (Schätzwert des Sozialreferats München, beruhend auf den Angeboten in einschlägigen Internetportalen).
Grundsätzlich ist es untersagt, Wohnraum im Stadtgebiet München ausschließlich als Ferienwohnung zu vermieten, denn hierdurch wird dem Wohnungsmarkt wertvoller Wohnraum entzogen:
1. Wohnraum im Sinne der ZeS
Als Wohnraum im Sinne der ZeS werden Räume angesehen, die objektiv zum Wohnen geeignet und subjektiv dazu bestimmt sind. Das ist vorrangig der Fall, wenn die Räume in der jeweiligen Wohnung baurechtlich zum Wohnen genehmigt wurden und keinerlei Zweifel an der Eignung als Wohnraum bestehen. Die Auslegung des Begriffs des Wohnzwecks im Zweckentfremdungsrecht kann in Orientierung daran erfolgen, wie der Begriff des Wohnens nach gefestigter Rechtsprechung u. a. im Baurecht und im Wohngeldrecht verstanden wird. Danach setzt eine Wohnnutzung eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie die Freiwilligkeit des Aufenthalts voraus.
Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZeS i.V.m Art. 2 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG (Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum) liegt eine Zweckentfremdung von Wohnraum vor, wenn der Wohnraum anderen als Wohnzwecken zugeführt wird, insbesondere, wenn er nicht nur vorübergehend für Zwecke der Fremdenbeherbergung durch die Verfügungsberechtigten bzw. die Mieter (Art. 2 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZeS) genutzt wird.
Bei der Überlassung von Wohnraum an Dritte bestimmt sich diese Beurteilung, ob Wohnraum überwiegend anderen als Wohnzwecken zugeführt wird, nach dem zur Überlassung zugrunde liegenden Nutzungskonzept: Hierzu sind insbesondere die mietvertraglichen Regelungen und die tatsächliche Nutzung der Wohnung relevant. Bei einer regelmäßig wiederholten Überlassung an Dritte kommt es dabei auf die erkennbar zugrunde liegende Zweckrichtung an. Abzugrenzen ist, ob das Nutzungskonzept darauf gerichtet ist, den Untermietern eine flexible und vorübergehende Unterkunft zu bieten oder eine Wohnung als Grundlage für eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit. Der Frage der Nutzungsdauer kommt somit übergeordnete Bedeutung zu.
2. Zweckentfremdung im Sinne der ZeS durch Fremdenbeherbergung
Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZeS i.V.m Art. 2 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG liegt als spezieller Fall eine Zweckentfremdung bei der so genannten „Fremdenbeherbergung“ vor, wenn der Wohnraum für mehr als insgesamt 8 Wochen im Kalenderjahr für Zwecke der Fremdenbeherbergung genutzt wird. Die Überlassung von Wohnraum für weniger als 8 Wochen im Jahr für Zwecke der Fremdenbeherbergung löst keine Genehmigungspflicht nach ZeS aus, ebenso wenig wie die Vermietung eines einzelnen Zimmers.
Fremdenbeherbergung in diesem Sinne bedeutet die Überlassung einer Unterkunft (nicht nur eines Zimmers) an eine Person, die dort nur vorübergehend unterkommt und die an einem anderen Ort eine Wohnung hat. Typischerweise bedeutet dies, dass es an der Verlegung des Lebensmittelpunktes fehlt und es sich um eine zeitlich begrenzte Ausgestaltung des Aufenthalts handelt. Das ist regelmäßig der Fall, wenn eine Wohnung anlassbezogen, beispielsweise für die Dauer eines Aufenthalts zum Zwecke der medizinischen Behandlung zur Verfügung gestellt wird, der Betroffene einen anderweitig bestehenden Wohnsitz hat und diesen auch nicht aufgeben will.
Zur Beurteilung der Frage, ob eine „Fremdenbeherbergung“ im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZeS i.V.m Art. 2 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG vorliegt, ist deshalb die Frage, ob die Nutzung von Wohnraum auf Dauer angelegt ist (dann keine Zweckentfremdung) oder diese nur vorübergehend stattfindet (dann Zweckentfremdung) entscheidend.
Die Verwaltung differenziert bei dem Begriff der Fremdenbeherbergung nach dem Zweckentfremdungsrecht folgendermaßen:
- Erfolgt die Vermietung in mehr als 8 Wochen pro Kalenderjahr und ist das Mietverhältnis auf mindestens 6 Monate angelegt: Es liegt in der Regel keine Zweckentfremdung vor (es sei denn, das jeweilige Nutzungskonzept begründet dennoch eine Zweckentfremdung).
- Erfolgt die Vermietung in mehr als 8 Wochen pro Kalenderjahr und ist das Mietverhältnis auf eine Nutzungsdauer von weniger als 6 Monaten oder die tage- oder wochenweise Überlassung der Wohnung angelegt: Es liegt in der Regel Zweckentfremdung vor (aber bei Mietverhältnissen zwischen einem Monat und einem halben Jahr kann bei Prüfung des Einzelfalls auch eine Zweckentfremdung verneint werden).
3. Beurteilungsrelevantes Mietverhältnis
§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZeS i.V.m Art. 2 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG stellt bezüglich der Zweckentfremdung auf den Verfügungsberechtigten (i.d.R. den Eigentümer) und/ oder den Mieter der jeweiligen Wohnung ab. Unerheblich für die Beurteilung ist es deshalb, dass eine Wohnung vom Eigentümer langfristig an eine Servicegesellschaft vermietet wird. Es kommt zur Beurteilung der Zweckentfremdung vielmehr auf die Ausgestaltung des Mietverhältnisses im Verhältnis zwischen Servicegesellschaft und dem jeweiligen Endmieter der Wohnung an. Wird dieses Verhältnis von der Verwaltung als Zweckentfremdung angesehen (siehe oben unter 2.), trifft das Bußgeld im ersten Schritt die Servicegesellschaft. Der verfügungsberechtigte Eigentümer wird wohl in diesen Fällen ebenfalls einen Zweckentfremdungstatbestand verwirklichen, es sei denn, er kann nachweisen, dass er die Servicegesellschaft im Mietvertrag zur Überlassung zu Wohnzwecken (wie oben unter 2. definiert) explizit verpflichtet hat und zugleich von der Zweckentfremdung keinerlei Kenntnis hatte.
4. Rechtsfolgen einer Zweckentfremdung
Liegt eine Zweckentfremdung im Einzelfall vor, löst diese im ersten Schritt eine Genehmigungspflicht aus (§ 5 Abs. 1 ZeS i.V.m. Art. 2 ZwEWG). Liegt trotz Genehmigungsbedürftigkeit keine Genehmigung vor, ist der Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 14 Abs. 1 ZeS i.V.m. Art. 4 ZwEWG verwirklicht. Danach kann grundsätzlich mit einem Bußgeld bis EUR 500.000,00 bestraft werden, wer ohne die erforderliche Genehmigung Wohnraum für andere als Wohnzwecke verwendet oder überlässt, d.h. im vorliegenden Fall, weil die Wohnung mehr als acht Wochen im Jahr für Zwecke der Fremdenbeherbergung genutzt wird (und das Mietverhältnis jeweils weniger als sechs Monate andauert). Bußgeldadressat kann sowohl der Eigentümer als Verfügungsberechtigter als auch der Mieter sein, der die Wohnung zu anderen als Wohnzwecken überlasst. Weiterhin droht die Nutzungsuntersagung durch die zuständige Behörde, da die Nutzungart „Wohnen“ und nicht „Gewerbe“ bzw. „Fremdenbeherbergung“ genehmigt worden ist.
5. Umfang der Auskunftspflicht gegenüber der Stadt München
Grundsätzlich besteht von Seiten des dinglich Verfügungsberechtigten (also i.d.R. des Eigentümers) eine Mitwirkungspflicht, die die Stadt München gegebenenfalls mit Verwaltungszwang durchsetzen kann, was sich aus § 12 Abs. 1 ZeS i.V.m. Art. 3 Satz 1 ZwEWG ergibt.
Der dinglich Verfügungsberechtigte ist verpflichtet, der Stadt die Auskünfte zu geben und die Unterlagen vorzulegen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Vorschriften des ZwEWG zu überwachen. Darüber hinaus besteht eine Pflicht, Mitarbeitern der Stadt den Zugang zu Grundstücken, Gebäuden und Wohnungen zu ermöglichen. Die Eingriffsbefugnis der Stadt München gem. § 12 Abs. 1 ZeS i.V.m. Art. 3 Satz 1 ZwEWG wird jedoch durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt, das heißt, es muss für die Stadt ein legitimer Zweck vorliegen und der Eingriff muss geeignet, erforderlich und angemessen sein, insbesondere muss die Stadt sämtliche Vor- und Nachteile der Maßnahme gegeneinander abwägen, wobei insbesondere die Grundrechte zu berücksichtigen sind.