Immobilien- & Baurecht
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Gesetzgebung: BayBO-Novelle – Änderungen der Bayerischen Bauordnung zum 1. Februar 2021

7. Januar 2021 von Kassandra Liesenfeld

Bereits im Juni 2020 wurde der Gesetzesentwurf zur Novellierung und Modernisierung der Bayerischen Bauordnung (BayBO) auf den Weg gebracht. Nunmehr hat der Bayerische Landtag die Novelle beschlossen (lesen Sie hier). Das Gesetz zur Änderung der BayBO soll zum 1. Februar 2021 in Kraft treten.

Die damit einhergehenden teils erheblichen Neuerungen finden Sie hier im Kurzüberblick:

1. Einführung einer Genehmigungsfiktion

Zukünftig wird ein vollständig eingereichter Bauantrag als genehmigt gelten, wenn die Bauaufsichtsbehörde über diesen nicht fristgerecht entschieden hat (Art. 68 Abs. 2 BayBO n.F.). Die Entscheidungsfrist für die Bauaufsichtsbehörde beträgt drei Monate. Diese beginnt entweder drei Wochen nach Zugang des Bauantrages oder drei Wochen nach Zugang der nachgeforderten Unterlagen zum Bauantrag. Wichtig ist, dass diese Genehmigungsfiktion nur bei Bauanträgen eintritt, die im vereinfachten Verfahren zu entschieden sind und ein Gebäude zum Gegenstand haben, das zumindest überwiegend dem Wohnen dient. Sobald die Fiktion eingetreten ist, muss dem Bauherrn, der Gemeinde und jedem Nachbarn, der dem Bauantrag nicht zugestimmt hat, eine entsprechende Bescheinigung ausgehändigt werden.

2. Neuregelung des Abstandsflächenrechts

Die Kernpunkte des geänderten Abstandsflächenrechts beziehen sich auf die Abstandsflächentiefe und deren Berechnung.

 Mit der Novelle werden sowohl die Regelungen zum Abstandsflächenrecht als auch die Ermächtigung an die Gemeinden zum Erlass von Satzungen mit abweichenden Abstandsflächen geändert. Damit die Gemeinden diese Satzungen mit Blick auf das künftig geänderte Abstandsflächenrecht erlassen können und keine Überschneidungen zwischen altem und neuen Abstandsflächenrecht aufkommen, tritt die neu gefasste Ermächtigungsnorm des Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 BayBO n.F. abweichend zu den restlichen Änderungen bereits zum 15. Januar 2021 in Kraft.

3. Ablöse für Kinderspielplätze

Ist mit einem Bauvorhaben auch ein Kinderspielplatz anzulegen, so kann dieser Verpflichtung künftig auf verschiedenen Wegen nachgekommen werden (Art. 7 Abs. 3 BayBO n.F.). Hierzu wird auf die Regelung zur Ablöse von Stellplätzen verwiesen (vgl. Art. 47 Abs. 3 BayBO). Es kann eine Herstellung auf dem eigenen Baugrundstück bzw. einem in der Nähe gelegenen Grundstück oder die Zahlung eines Geldbetrages zur Ablösung erfolgen. Sofern ein Ablösevertrag geschlossen wird, ist dieser Geldbetrag zweckgebunden. Die Gemeinde hat diesen zur Herstellung oder Unterhaltung von Kinder- oder Jugendfreizeiteinrichtungen zu verwenden (Art. 7 Abs. 3 S. 3 BayBO n. F.). Grundsätzlich stehen alle Ablösearten gleichberechtigt nebeneinander, sodass der Bauherr wählen kann, wie er seiner Verpflichtung nachkommen möchte.

Nach dem nunmehr geänderten Art. 81 Abs. 1 Nr. 3 BayBO n.F. kann die Gemeinde durch eine Satzung vorschreiben, auf welche Art die Erfüllung zu erfolgen hat. Hierdurch sollen für einzelne Ortsteile individuelle Lösungen möglich werden.

4. Erleichterte Umwandlung in Wohnraum

Durch den neu angefügten Art. 46 Abs. 5 BayBO n.F. soll die Umwandlung bestandsgeschützter Aufenthaltsräume (z. B. Laden- und Büroeinheiten) in Wohnraum erleichtert werden. Bislang hat eine Nutzungsänderung dazu geführt, dass das heutige materielle Bauordnungsrecht insgesamt zu prüfen und einzuhalten war. Nunmehr soll der Bestandsschutz bestehender Bauteile in Aufenthaltsräumen gestärkt werden, indem die materiellen Anforderungen an z.B. Abstandsflächen, Brandschutzabstände, Feuerwiderstand der Tragkonstruktion, Außenwände, Decken und Dächer nicht mehr zu prüfen sind. Da die übrigen Regelungen des Bauordnungsrechtes, wie etwa die Anforderungen an Rettungswege oder Lärmschutz einzuhalten sind und auch die bauaufsichtlichen Eingriffsmöglichkeiten zur Abwehr erheblicher Gefahren weiter bestehen, ist durch diese Änderung keine Gefährdung von Leben und Gesundheit zu befürchten.

5. Perpetuierung des Bestandsschutzes

In Art. 63 BayBO sind die Voraussetzungen geregelt, unter denen die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von den Anforderungen der Bauordnung oder entsprechend erlassener Vorschriften zulassen kann. Diese Regelung wird nunmehr ergänzt durch Art. 63 Abs. 1 S. 2 BayBO n. F. Künftig sollen Abweichungen von den Regelungen des Abstandsflächenrechts zugelassen werden, wenn ein rechtmäßig errichtetes Gebäude abgerissen und durch ein Wohngebäude höchstens gleicher Abmessung und Gestalt ersetzt wird.

Hierdurch wird ein in der Entscheidungspraxis der Bauaufsichtsbehörden sehr häufig vorkommender Anwendungsfall für die Erteilung von Abweichungen als Regelbeispiel aufgenommen, was jedoch nicht die Prüfung des konkreten Einzelfalls ersetzt. Diese intendierte Abweichung soll dazu führen, dringend benötigten Wohnraum zu schaffen und bereits vorhandene Anlagen wieder nutzbar zu machen.

6. Erste Schritte zur Digitalisierung des Baugenehmigungsverfahrens

Durch das Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (OZG) wurden Bund, Länder und Kommunen dazu verpflichtet, bis Ende 2022 ihre Verwaltungsleistungen über Verwaltungsportale zusätzlich digital anzubieten. Der Freistaat Bayern hat hierbei u.a. den digitalen Zugang zu Bauvorbescheiden und Baugenehmigungen priorisiert und möchte diesen bevorzugt Bereich vorantreiben (mehr zur Digitalisierung in Bayern hier).

Mit der BayBO-Novelle wurden nun erste Schritte in Richtung eines digitalen Bauantrages unternommen und hierzu u.a. die folgenden Änderungen veranlasst:

a. Nunmehr ausreichende Textform zur Fachstellenbeteiligung (Art. 65 BayBO n.F.)

Künftig wird es genügen, wenn die anzuhörenden Stellen im Rahmen der Fachstellenbeteiligung dem Bauantrag in Textform zustimmen. Durch den Ersatz des Schriftformerfordernisses durch ein Textformerfordernis soll der Einsatz digitaler Kommunikationsmittel, wie etwa E-Mails, ermöglicht werden. Dahinter steht der Gedanke, dass auch die Textform eine ausreichende Dokumentations- und Nachweisfunktion sicherstellt und gleichzeitig die Beteiligung einfacher und schneller ablaufen lässt, sodass durch den Wechsel der Verfahrensschritt beschleunigt werden kann.

b. Änderung der Nachbarbeteiligung (Art. 66 BayBO n.F.)

Das Verfahren der Nachbarbeteiligung wird in Hinblick auf den künftig digitalen Bauantrag erheblich umgestellt. Zum einen entfällt die Möglichkeit des Bauherrn, die Nachbarbeteiligung durch die Gemeinde erfolgen zu lassen.
Zum anderen wird künftig keine Unterschrift des Nachbarn mehr auf den Bauzeichnungen oder dem Lageplan erforderlich sein. Vielmehr hat der Bauherr die schriftliche Zustimmung des Nachbarn einzuholen. Diese schriftliche Zustimmung muss der Bauherr künftig bei Antragstellung nicht mehr vorlegen. Es genügt die bloße Mitteilung über die Zustimmung gegenüber der Bauaufsichtsbehörde, welche Nachbarn zugestimmt haben und welche nicht. Mit dieser Vereinfachung für den Bauherrn geht jedoch einher, dass dieser in einem etwaigen späteren Klageverfahren die materielle Beweislast hinsichtlich der Frage der Zustimmung trägt. Kann der (beigeladene) Bauherr die Zustimmung des Nachbarn nicht durch Vorlage der schriftlichen Zustimmung darlegen, gilt diese als nicht erteilt.

Die Änderungen im Verfahren der Nachbarbeteiligung geschehen im Vorgriff auf die anstehende Digitalisierung der bauaufsichtlichen Verfahren, denn das bisherige Vorgehen mit den unterschriebenen Bauplänen kann nicht in das papierlose Antragsverfahren überführt werden.

c. Verordnungsermächtigung zu räumlich bestimmten Abweichungen (Art. 80a BayBO n.F.)

Auch die neu geschaffene Verordnungsermächtigung erfolgt im Hinblick auf die Umstellung der Verwaltungsverfahren. Im Rahmen von Pilotprojekten werden einzelne Landratsämter bereits zum Ende dieses Jahres eine papierlose Einreichung des Bauantrags anbieten.

Durch den nun eingefügten Art. 80a BayBO n.F. wird es der Staatsregierung möglich, räumlich bestimmte Abweichungen von Zuständigkeits-, Verfahrens-, und Formvorschriften vorzusehen, um dort die Durchführung der Pilotprojekte zu ermöglichen und die Digitalisierung voranzutreiben.

Wenn die Pilotphase abgeschlossen ist und sich das digitale Verfahren in der Praxis bewährt hat, sollen die dann ausgereiften Regelungen zur Verfahrensdigitalisierung in die landesweite Bauordnung übernommen werden.

 

Eine ausführliche Darstellung der mit der Novelle einhergehenden wesentlichen Änderungen finden Sie in den vorhergehenden Beiträgen von Herrn RA Schex BayBO-Novelle Teil 1 und Teil 2.