Der Gegner „zahlt die Zeche“ – Zur Erstattungsfähigkeit von vorgerichtlichen und gerichtlichen Privatgutachterkosten
Sehr häufig ist es einer nicht sachkundigen Vertrags- bzw. Prozesspartei ohne sachkundige Hilfe, d. h. einen Gutachter (für Schäden an Gebäuden) nicht möglich, ihre (Gewährleistungs-)Rechte geltend zu machen. In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob und inwieweit die betroffene Partei die verauslagten Kosten für einen Privatgutachter erstattet verlangen kann.
1. Vorgerichtliche Privatgutachterkosten
Hinsichtlich der vorgerichtlichen Privatgutachterkosten hat das OLG München (OLG München, Urteil vom 09.05.2017 - 28 U 2050/16 Bau) in einer instruktiven Entscheidung ausgeführt, dass nur für die erfolgreichen Mangelbehauptungen ein Erstattungsanspruch besteht und daher für die anteilige Erstattung der Privatgutachtervergütung aufgegliedert werden muss, welche Kosten auf die "erfolgreichen" und "nicht erfolgreichen" Mängelbehauptungen entfallen.
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte eine Wohnungseigentümergemeinschaft – nach einem entsprechenden Vergemeinschaftungsbeschluss - von einem Bauträger Vorschuss für die Beseitigung von Mängeln verlangt. Der für die Wohnungseigentümergemeinschaft tätige Privatgutachter hatte den Auftrag gehabt, die Mängel im Vorfeld des Prozesses festzustellen und finanziell zu bewerten.
Privatgutachterkosten sind also insoweit nicht erstattungsfähig sind, als der Gutachter Mängel untersucht und bewertet hat, die - wie sich später im Prozess durch Begutachtung des gerichtlichen Sachverständigen herausstellt - keine sind.
2. Privatgutachterkosten im Prozess
Von dem unter Ziffer 1. dargestellten Fall ist derjenige zu unterscheiden, dass eine Prozesspartei in einem Prozess sachverständige Hilfe durch einen Privatgutachter benötigt. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn die Mängel, die Gegenstand des Prozesses sind, in ihren Ursachen derart komplex und vielschichtig sind, dass sie nur durch besondere Sachkunde zu bewältigen sind.
Die Rechtsprechung (BGH, Beschluss vom 20.12.2011 – VI ZB 17/11; BGH, Beschluss v. 12.09.2018 - VII ZB 56/15) erachtet solche Kosten für Privatgutachten dann als erstattungsfähig, wenn diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind. Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist die Einholung eines Privatgutachtens, wenn eine verständige und wirtschaftlich denkende Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Diese Notwendigkeit ist zu begründen und glaubhaft zu machen.
Die Anforderungen an die entsprechende Begründung und Glaubhaftmachung sind durchaus hoch. Die Bezugnahme auf eine Stundenaufstellung ist dabei nicht ausreichend, wenn dort nur formelhaft Tätigkeiten aufgeführt sind, die die Notwendigkeit nicht begründen.
3. Praxistipp
Hinsichtlich der vorgerichtlichen Privatgutachterkosten muss sehr sorgfältig darauf geachtet werden, dass man den Sachverständigen nicht (mit großem Zeit- und/oder Kostenaufwand) solche „Mängel“ begutachten lässt, die – bereits auf den ersten Blick – als Wünsche des Bauherrn oder der Wohnungseigentümergemeinschaft zu qualifizieren sind.
Bei den Privatgutachterkosten im Prozess muss der Gutachter von Anfang an dazu angehalten werden, im Einzelnen ganz präzise Buch darüber zu führen, welche Stunden für welche konkrete, sachverständige Beantwortung welcher prozessbezogenen Frage aufgewandt wurde. Nur ein so nachgewiesener Zeitaufwand des Sachverständigen ist erstattungsfähig. Eine übliche Stundenaufstellung mit einer Kurzbeschreibung, wie zum Beispiel „Aktenstudium“ ist nicht ausreichend.