Immobilien- & Baurecht
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Das Volksbegehren „#6 Jahre Mietenstopp“ ist unzulässig.

16. Juli 2020 von Kassandra Liesenfeld

Diese Entscheidung hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH) am 16.07.2020 verkündet und damit das bayerische Volksbegehren vorzeitig beendet. Der Ansatz, die horrenden Mietpreise auf dem Wohnungsmarkt durch landesrechtliche Regelungen zu bekämpfen, ist somit – zumindest für den Freistaat Bayern – vorerst gescheitert. Dem Freistaat steht keine Gesetzgebungskompetenz im Bereich der mietpreisrechtlichen Regelungen für ungebundenen Wohnraum zu.

Der Vorsitzende Richter betonte, dass mit dieser Entscheidung keine politische, sondern eine rein rechtliche Wertung erfolgt.

Hervorzuheben ist, dass sich die rechtliche Wertung des BayVerfGH nicht auf die materiellen Vorschläge zur Regulierung der Mieten und etwaige Eingriffe in das Eigentumsrecht der Vermieter und Vermieterinnen (Art. 14 Abs. 1 GG) bezieht. Beantwortet wurde hiermit allein die Frage, wer solche Regelungen grundsätzlich treffen darf – dies ist der Bundesgesetzgeber.

Die Initiatoren des „Mietenstopps“ haben bereits angekündigt, sich fortan dafür einsetzen zu wollen, dass der Bund die Probleme der steigenden Mieten angeht und seine bisherigen Regelungen überarbeitet.

Es wurde damit am 16.07.2020 nicht über das Volksbegehren an sich, sondern über den Antrag auf Zulassung des Volksbegehrens entschieden. Diesen Antrag hatte das Bayerische Innenministerium im April dieses Jahres unter Verweis auf die fehlende Gesetzgebungskompetenz des Freistaates abgelehnt. Diese Einschätzung hat der BayVerfGH nun bestätigt: Eine Gesetzgebungskompetenz des Landes ist ohne jeden ernsthaften Zweifel nicht gegeben.

I.  Die Entscheidung im Einzelnen

1. Keine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Landes nach Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG

„Dem Landesgesetzgeber fehlt nach Art. 72 Abs. 1 GG die Gesetzgebungskompetenz, weil im BGB bereits enthaltene bundesgesetzliche Regelungen die Möglichkeit landesgesetzlicher Vorschriften versperren“ (S. 5 der Pressemitteilung, Vf.32-IX-20 vom 16.07.2020).

Der Gesetzentwurf des Volksbegehrens „#6 Jahre Mietenstopp“ enthielt im Wesentlichen zwei Regelungsvorschläge zur Begrenzung der Miethöhe: zum einen war ein weitgehendes Verbot vorgesehen, in laufenden Wohnungsmietverhältnissen die Miete zu erhöhen. Zum anderen sollte es bei Neuvermietungen verboten sein, eine Miete zu verlangen, die über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt.

Der BayVerfGH stellt mit seiner heutigen Entscheidung klar, dass die Mietpreishöhe bereits durch ein bundesgesetzliches umfassend angelegtes System geregelt ist. § 558 BGB (u.a. Kappungsgrenze) enthält die Voraussetzungen zu Mieterhöhungen in Bestandsmietverträgen, während § 556 d BGB Regelungen zu Neuvermietungen (sog. Mietpreisbremse) trifft. Dass der Bundesgesetzgeber die Regelungen zur Mietpreisbremse und Kappungsgrenzen über die Zeit ergänzt und ausdifferenziert hat, lässt nach Auffassung des Gerichts den klaren Willen des Gesetzgebers erkennen, eine abschließende Regelung zu treffen.

Die in § 558 Abs. 3 S. 3 BGB enthaltene Verordnungsermächtigung an die Landesregierungen, impliziert entgegen der häufigen Argumentation gerade nicht, dass die Länder abweichende eigene Regelung treffen können sollten.

2. Keine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Landes für das Wohnungswesen Art. 70 Abs. 1 GG

Auch eine Gesetzgebungskompetenz für das „Wohnungswesen“ ist für die Länder nicht gegeben. Dieser besonders im Zusammenhang mit dem Berliner Mietendeckel herangezogene Kompetenztitel nach Art. 70 Abs. 1 GG überzeugt das Gericht nicht. Hierzu wurde von den Befürwortern des Volksentscheides argumentiert, dass der Mietenstopp im Gegensatz zu der Mietenbremse nicht an dem zweipoligen Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter ansetze, sondern das strukturelle Marktversagen durch Marktlenkung bekämpfen solle. Diese Argumentation ordnet den Mietenstopp (ebenso den Mietendeckel) nicht dem privaten, sondern dem öffentlichem Mietpreisrecht zu.

Gemäß der heutigen Entscheidung des BayVerfGH stellen die von dem Volksbegehren vorgesehenen Regelungen im Ergebnis nichts anderes dar als eine Verschärfung der geltenden zivilrechtlichen Bestimmungen zu Mietpreisbremse und Kappungsgrenze. Eine Einbettung in ein öffentlich-rechtliches Gesamtkonzept fehlt. Eine solche Einbettung wäre allenfalls gegeben, wenn beispielsweise die Miethöhe durch behördliche Genehmigung festgelegt würde. Derartige Regelungen waren jedoch nicht vorgesehen.

3. Recht auf angemessenen Wohnraum nach Bayerischer Verfassung (BV) irrelevant

So hart diese Aussage zunächst klingt, so richtig ist sie im Zusammenhang mit der Frage nach der Gesetzgebungskompetenz. Art. 106 Abs. 1 BV spricht jedem Bewohner Bayerns einen Anspruch auf eine angemessene Wohnung zu. Der Anspruch auf angemessenen Wohnraum stellt jedoch den zweiten Schritt vor dem ersten dar. Denn zunächst muss beantwortet werden, wer die Kompetenz zum Gesetzeserlass innehat. Diese Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern bemisst sich nach den Vorschriften des Grundgesetzes (Art. 70 Abs. 2 GG). Die ist einleuchtend, da sich sonst für 16 Bundesländer mit 16 unterschiedlichen Landesverfassungen jeweils abweichende Kompetenzen ergeben könnten.

II.  Ausblick

Wie vorstehend erwähnt, wollen die Initiatoren des Volksbegehrens „#6 Jahre Mietenstopp“ sich nun für ein Vorgehen auf Bundesebene einsetzen. Diese Entscheidung ist zunächst nur für den Freistaat Bayern relevant. Eine gewisse Signalwirkung wird von ihr wohl auch für den Berliner Mietendeckel (HEUSSEN informierte) ausgehen.

 

 

Näheres zu den Begriffen Volksbegehren und Volksentscheid

Ergänzend zu dem gewählten Parlament kann das bayerische Volk über Volksentscheide gesetzgebend tätig werden (Art. 71, 72, 74 BV).

Zunächst muss ein Zulassungsantrag von 25.000 Stimmberechtigten an das Innenministerium gestellt werden (Art. 63 LWG). Lehnt das Ministerium diesen ab, entscheidet der Bayerische Verfassungsgerichtshof über dessen Zulässigkeit (Art. 67 BV i.V.m. 64 Abs. 1 S. 1 LWG).

Ein zulässiges Volksbegehren wird bekannt gemacht und den Bürgerinnen und Bürgern zur Eintragung in den Gemeinden ausgelegt. Tragen sich 1/10 der stimmberechtigten Staatsbürger ein, so wird ein Volksentscheid herbeigeführt (Art. 74 Abs. 1 BV). Die Gesetzesvorlage wird anschließend in den Landtag ein- und zur Abstimmung gebracht. Sofern der Landtag den Gesetzesentwurf ablehnt, wird dieser dem Volk zur Entscheidung vorgelegt (Volksentscheid).

Hintergründe zu dem Volksbegehren #6 Jahre Mietenstopp

Mit dem Volksbegehren sollte den in Bayern stetig steigenden Wohnraummieten entgegengewirkt werden. Ziel der Initiative war es, die Miethöhe in 162 bayerischen Gemeinden für 6 Jahre zu begrenzen.

Diese 162 Gemeinden wurden nicht zufällig ausgewählt. Es handelt sich um die von der Landesregierung aufgrund der Ermächtigung nach § 558 Abs. 3 S. 3 BGB bestimmten Gebiete, welche eine besondere Gefährdung der ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen aufweisen (angespannter Wohnungsmarkt). Für diese 162 Gemeinden gilt bereits die abgesenkte Kappungsgrenze nach § 558 Abs. 3 S. 2 BGB.