Immobilien- & Baurecht
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Aktuelles zur Mieten- und Wohnraumfrage: Übersicht zu Mietpreisbremse, Mietendeckel & Co.

Die Wohnraum- und Mietenfrage bestimmt die politische Diskussion der letzten Zeit. Sie wird begleitet und gelenkt von einer rechtlichen Diskussion mit immer neuen Vorschlägen, Ansichten, Begriffen und Entscheidungen. Schnell verliert man die Übersicht, findet sich zwischen Bundesrecht und Landesrecht, zwischen öffentlichem Recht und Zivilrecht, zwischen Kappen, Deckeln und Bremsen von Mieten wieder - und ist jetzt eigentlich der Mietendeckel oder die Mietpreisbremse wirksam? Und was ist eigentlich der Unterschied? Wir geben eine Übersicht:

1. Mit dem Mietrechtsnovellierungsgesetz wurde bereits 2015 unter anderem die Mietpreisbremse eingeführt. Die Mietpreisbremse ist ein Bundesgesetz und in den §§ 556d bis 556g BGB geregelt. Im Kern wird damit geregelt, dass die Eingangsmiete bei Wiedervermietung von Bestandswohnungen in Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt die ortsübliche Vergleichsmiete grundsätzlich um höchstens zehn Prozent übersteigen darf.

Das heißt, grundsätzlich gilt die Mietpreisbremse in ganz Deutschland – allerdings nur, soweit die Landesregierungen ihre Anwendung durch Festlegung von Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt beschließen. Die Entscheidung, welche Gebiete einen angespannten Wohnungsmarkt aufweisen, dürfen die Länder für maximal fünf Jahre per Rechtsverordnung bestimmen, wobei nach aktueller Rechtslage eine solche Rechtsverordnung bis spätestens zum 31.12.2020 in Kraft getreten sein muss. Die Verfassungsmäßigkeit der Mietpreisbremse selbst war lange umstritten. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe hat mit seinem Beschluss vom 18.07.2019 die Verfassungsgemäßheit der sog. Mietpreisbremse (BGB i.d.F. von 2015) und die Mietenbegrenzungsverordnung Berlin bestätigt. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Mietpreisbremse nun überall wirksam ist und Anwendung findet, wo die Länder dies durch Festlegung von Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt beschließen bzw. beschlossen haben. Denn die Rechtsverordnungen der Länder zur Festlegung dieser Gebiete (und damit zur Anwendbarkeit der Mietpreisbremse) wurden durch die Gerichte bereits wiederholt „gekippt“.

Unabhängig davon plant die Bundesregierung in ihrem aktuellen Wohn- und Mietenpaket eine weitere Verschärfung (zu viel gezahlte Miete soll auch rückwirkend für einen Zeitraum von 2,5 Jahren nach Vertragsschluss zurückgefordert werden können) und Verlängerung über den 31.12.2020 hinaus der erst zum Beginn des Jahres 2019 reformierten Mietpreisbremse, was auch und vor allem vor dem Hintergrund der aktuellen BVerfG-Entscheidung erneut Wirksamkeitsfragen aufwirft. Darüber hinaus zeichnen sich Pläne einer Bundesratsinitiative ab, die Mietpreisbremse auf das Gewerbemietrecht auszuweiten.

2. Im Kanonenrauch der Enteignungsdebatte treibt derweil eine rote Senatsverwaltung in Berlin ein Landesgesetz zum sog. Mietendeckel (Berliner MietenWoG) voran. Dieser landesrechtliche Mietendeckel ist strikt von der vorstehend unter Ziffer 1 dargestellten bundesgesetzlichen Mietpreisbremse zu unterscheiden. Auch gilt die unter Ziffer 1 dargestellte Entscheidung des BVerfG nicht für den Berliner Mietendeckel, dessen Referentenentwurf vom 30.08.2019 zwar moderater erscheint als zwischenzeitlich geleakte Vorschläge, der aber gleichwohl noch Regelungen enthält, die sogar das von der Senatsverwaltung selbst zur Rechtfertigung herangezogene Rechtsgutachten (Mayer/Artz, Öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Aspekte eines „Mietendeckels“ für das Land Berlin, 16. März 2019) als unverhältnismäßig ansieht. So sieht der Referentenentwurf weiterhin die Möglichkeit eines staatlichen Eingriffs in laufende Bestandsmietverträge mit dem Ziel vor, wirksam vereinbarte Mieten zu senken.

Dass es sich bei der Diskussion um den Mietendeckel gleichwohl nicht nur um ein rein Berliner Thema handelt, zeigen vergleichbare Diskussionen in weiteren Bundesländern, z.B. das Volksbegehren zu einem Mieten-Stopp in Bayern des DMB Mieterverein München, dem zwischenzeitlich ein Gesetzesentwurf der o.g. Gutachter Mayer/Artz zugrundeliegt. Im Vorgriff auf den nächsten Bundestagswahlkampf werden vergleichbare Vorschläge (d.h. die bundesweite Einführung eines Mietendeckels) bereits heiß diskutiert.

Aus München kommt jedoch auch Gegenwehr. So hat der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier sein Rechtsgutachten „Landeskompetenz zur Einführung eines sogenannten Mietendeckels?“ (Rechtsgutachtliche Stellungnahme im Auftrag des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. – GdW, September 2019) vorgelegt, das in seinem Ergebnis kaum klarer sein könnte:  Die Länder verfügen nach dem Grundgesetz unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt über eine Gesetzgebungskompetenz zur Einführung eines sogenannten Mietendeckels. Das Gutachten liegt damit auf einer Linie nicht nur mit diversen Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages sondern auch mit dem HEUSSEN-Positionspapier vom 17.06.2019 und weiteren Stellungnahmen. Danach ist und bleibt der Berliner Mietendeckel - so er denn tatsächlich als Gesetz beschlossen werden sollte - unwirksam.

3. In Übereinstimmung mit einem weiteren Punkt des aktuellen Wohn- und Mietenpakets der Bundesregierung liegt zudem bereits ein Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz für ein Gesetz zur Verlängerung des Betrachtungszeitraums für die ortsübliche Vergleichsmiete vor. Durch eine Verlängerung des Betrachtungszeitraums für die ortsübliche Vergleichsmiete von vier auf sechs Jahre soll in Gebieten mit steigenden Angebotsmieten eine Senkung der ortsüblichen Vergleichsmiete und eine Dämpfung des Mietpreisanstiegs erreicht werden (da die ortsübliche Vergleichsmiete Maßstab ist für das Vergleichsmietensystem des BGB bei Mieterhöhungen im Bestand und bei der zulässigen Neuvertragsmiete im Geltungsbereich der Mietpreisbremse).

Während also der Bund an einer Reform der Regelung zur ortsüblichen Vergleichsmiete arbeitet und das BVerfG (a.a.O.) soeben die Bedeutung des bundesgesetzlichen Vergleichsmietensystems herausgestellt hatte ("Das Abstellen auf die ortsübliche Vergleichsmiete soll die Marktbezogenheit der regulierten Miethöhe und damit die Wirtschaftlichkeit der Vermietung sicherstellen"), arbeitet man in Berlin über das Landesgesetz zum Mietendeckel an der Abschaffung eben dieses bundesgesetzlichen Vergleichsmietensystems. Die Ignoranz der treibenden Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen gegenüber dem Vergleichsmietensystem gipfelt darin, dass die von ihr vorgegebenen maximalen Miethöhen keinerlei Differenzierung nach Lage, Stockwerk und auch nur sehr eingeschränkt bzgl. der Ausstattung einer Wohnung beinhalten. Der Mieter der barrierefreien Penthouse Wohnung mit Marmorbad im angesagten Szeneviertel wird wohl am meisten vom geplanten Berliner Mietendeckel profitieren.

4. Ein weiterer Vorschlag des aktuellen Wohn- und Mietenpakets der Bundesregierung lenkt den Blick auf ein nächstes spannendes Thema. Geplant ist ein Gesetzentwurf, der die Möglichkeit zur Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen begrenzen soll. Damit ist zumindest in Teilaspekten die Brücke geschlagen zu dem wiederum zu unterscheidenden Milieu- und Quartierschutz des (öffentlichen) sozialen Erhaltungsrechts. Auf dessen Zielsetzung beruft sich übrigens auch der Beschluss des Berliner Senats vom 18.06.2019 zur Begründung seines (öffentlich-rechlichen) Mietendeckels. Der Schutzgedanke des sozialen Erhaltungsrechts klingt aber auch in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Mietpreisbremse (a.a.O.) mit Verweis auf die Gesetzesbegründung des Bundesgesetzgebers an: Auch der BGB-Gesetzgeber kann sich auf das gesellschaftspolitische Interesse an einer durchmischten Wohnbevölkerung in innerstädtischen Stadtvierteln berufen.

5. So scheint also irgendwie alles mit allem zusammenzuhängen und selbst das Strafrecht spielt, was gerne übersehen wird, eine gewisse Rolle. Zeit also für eine Übersicht zu ausgewählten Rechtsinstrumentarien im Rahmen der aktuellen Wohnraum- und Mietenfrage:

 Tabelle Mietdeckel etc