Keine Haftung eines GmbH-Geschäftsführers gegenüber Gesellschaftsgläubigern wegen eines zur Insolvenz der GmbH führenden "Griffs in die Kasse"
Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. Mai 2019, Az.: VI ZR 512/17
a) […]
b) Die Verpflichtung des Geschäftsführers einer GmbH aus § 43 Abs. 1 GmbHG, dafür zu sorgen, dass sich die Gesellschaft rechtmäßig verhält und ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt, besteht grundsätzlich nur gegenüber der Gesellschaft, nicht hingegen im Verhältnis zu außenstehenden Dritten.
c) Zur Haftung des Geschäftsführers einer GmbH gegenüber den Gesellschaftsgläubigern wegen eines zur Insolvenz der Gesellschaft führenden "Griffs in die Kasse"
Sachverhalt
Der Beklagte war Geschäftsführer einer GmbH, die eine ihr gegenüber der Klägerin bestehende Verbindlichkeit zum Fälligkeitszeitpunkt nicht bedienen konnte. Vielmehr stellte der Beklagte einen Insolvenzantrag für die GmbH, der in der Folgezeit mangels Masse abgewiesen wurde. Grund für die Unfähigkeit der GmbH, die Forderungen der Klägerin und einer Vielzahl weiterer Gläubiger zu bedienen, war, dass der Beklagte mehrere hunderttausend Euro aus dem Vermögen der GmbH entnommen und für betriebsfremde Zwecke verwendet hatte.
Die Klägerin verlangte daraufhin vom Beklagten persönlich den Ersatz ihres Schadens. Sie vertrat die Auffassung, der Beklagte hafte für ihre Forderung wegen Insolvenzverschleppung und Betrugs sowie wegen Verletzung von Geschäftsführerpflichten. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, auf die Berufung der Klägerin hatte das Oberlandesgericht (OLG) der Klage teilweise stattgegeben. Nach Ansicht des OLG hafte der Beklagte persönlich aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung auf Schadensersatz. Hiergegen wandte sich der Beklagte mit seiner Revision zum Bundesgerichtshof (BGH).
Entscheidung
Der BGH verneinte entgegen der Auffassung des OLG einen Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB. Der BGH führte dazu aus, dass es für die Annahme eines solchen Anspruches im Allgemeinen nicht genügt, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss zur Annahme einer sittenwidrigen Schädigung eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht. Dies wäre nach Ansicht des BGH ggf. dann der Fall gewesen, wenn der Beklagte durch sein Verhalten eine gerade gegenüber der Klägerin Beklagten bestehende Treuepflicht verletzt hätte.
Eine solche Treuepflicht ergibt sich nicht aus der Stellung des Beklagten als Geschäftsführer der GmbH. Zwar umfassen die Pflichten zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung, die dem Geschäftsführer einer GmbH gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG obliegen, auch die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass sich die Gesellschaft rechtmäßig verhält und ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt. Diese Pflicht besteht jedoch grundsätzlich nur gegenüber der Gesellschaft, nicht hingegen im Verhältnis zu außenstehenden Dritten wie der Klägerin.
Auch aus dem zwischen der Klägerin und der GmbH abgeschlossenen Vertragsverhältnis kann eine solche Treuepflicht nicht hergeleitet werden. Aus vertraglichen Beziehungen erwachsen grundsätzlich nur den Vertragspartnern Pflichten, nicht hingegen Dritten. Dies gilt auch für den Geschäftsführer einer GmbH, wenn es um die vertraglichen Beziehungen der von ihm vertretenen GmbH geht; auch er ist insoweit Dritter und aus den für die GmbH geschlossenen Verträgen deshalb grundsätzlich nicht persönlich verpflichtet. Dies kann dann anders sein, wenn der Geschäftsführer in einem primär für die GmbH abgeschlossenen Vertrag auch persönliche Pflichten übernommen hat, er also (auch) in eigenem Namen gehandelt hat und damit selbst Vertragspartner geworden ist. Hierfür lagen im entschiedenen Fall jedoch keine Anhaltspunkte vor.
Praxishinweis
Der BGH setzt konsequent seine bisherige Rechtsprechung fort, wonach für Verbindlichkeiten einer GmbH grundsätzlich nur deren Vermögen in Anspruch genommen werden kann. Dritten gegenüber haftet ein Geschäftsführer, der seine ihm gegenüber der Gesellschaft obliegenden Pflichten verletzt, grundsätzlich nicht. Allerdings können Dritte bei einer Pflichtverletzung des Geschäftsführers die der Gesellschaft gegen ihren Geschäftsführer zustehenden Ansprüche nach den hierfür vorgesehenen Regularien der Zivilprozessordnung pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen.
Soweit dies tatsächlich möglich und unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten tunlich ist, kann es daher vor dem Abschluss von Verträgen mit GmbHs, insbesondere mit kleineren und mittleren Gesellschaften, deren Geschäftsführer zugleich die Gesellschafter sind, sinnvoll sein, zusätzlich eine persönliche Haftung der Geschäftsführung und/oder der Gesellschafter zu vereinbaren.