GmbH-Geschäftsführer im Arbeitsrecht
BGH, Urteil vom 26. März 2019, Az.: II ZR 244/17
BAG, Beschluss vom 21. Januar 2019, Az.: 9 AZB 23/18
Leitsatz BGH:
Der Fremdgeschäftsführer einer GmbH ist bei europarechtskonformer Auslegung jedenfalls insoweit als Arbeitnehmer iSv § 6 I 1 Nr. AGG anzusehen, wie bei einer Kündigung seines Geschäftsführerdienstvertrags der sachliche Anwendungsbereich des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes über § 2 I Nr. 2 AGG eröffnet ist.
Leitsatz BAG:
Der Fremdgeschäftsführer einer GmbH nimmt Arbeitgeberfunktionen wahr und ist deshalb keine arbeitnehmerähnliche, sondern eine arbeitgeberähnliche Person.
Das deutsche Arbeitsrecht ist in eine Vielzahl von Gesetzen zersplittert; ein einheitliches Arbeitsgesetzbuch, über das seit Jahrzehnten diskutiert wird, gibt es - leider - nicht.
Seit jeher ist die Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Normen auf Organe von Gesellschaften, insbesondere auf GmbH-Geschäftsführer, Gegenstand juristischer Diskussionen und gerichtlicher Entscheidungen. Auch sozialversicherungsrechtlich gibt es regelmäßig Abgrenzungsprobleme mit Geschäftsführern, die zugleich Gesellschafter sind. Sogenannte Fremdgeschäftsführer, also Geschäftsführer ohne jegliche gesellschaftsrechtliche Beteiligung, nehmen eine besondere Zwitterstellung ein. Sie setzen, ebenso wie Gesellschafter-Geschäftsführer den Willen der Gesellschafter in der GmbH um, sind aber vertraglich genauso angestellt wie alle anderen Arbeitnehmer auch. Im Unterschied zu diesen genießen sie jedoch gesetzlich keinen Kündigungsschutz. Dies ist in § 14 Kündigungsschutzgesetz explizit geregelt. Andere arbeitsrechtlich einschlägige Bestimmungen äußern sich jedoch zu diesem Thema nicht (ein praxisrelevantes Beispiel: das nachvertragliche Wettbewerbsverbot für Fremdgeschäftsführer nach den Vorschriften des HGB). Es bleibt also regelmäßig der Rechtsprechung überlassen, über die Anwendbarkeit arbeitsrechtlich relevanter Normen und damit den Schutz von Fremdgeschäftsführern zu urteilen.
Im vorliegenden Fall ging es um die Rechtmäßigkeit der Kündigung des Dienstvertrages eines Fremdgeschäftsführers. Dessen Dienstvertrag sah vor, dass er sowohl von der GmbH als auch vom Geschäftsführer selbst nach Vollendung seines 61. Lebensjahres vorzeitig gekündigt werden konnte. Der ursprünglich für eine feste Laufzeit von 5 Jahren abgeschlossene Dienstvertrag wurde mehrfach verlängert, schließlich aber im Hinblick auf die vertragliche Regelung nach Erreichen des 61. Lebensjahres des Geschäftsführers fristgemäß gekündigt.
Der BGH hat nun in seinem Urteil, anders als die beiden Vorinstanzen, den Anwendungsbereich des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) auch auf Geschäftsführer einer GmbH erstreckt, wonach u.a. die Diskriminierung von Arbeitnehmern und Auszubildenden im Berufsleben wegen ihres Alters ist verboten ist. Zwar könne § 6 Abs. 3 AGG entnommen werden, dass das AGG im Hinblick auf Entlassungsbedingungen auf Gesellschafts-Organe keine Anwendung finden solle. Eine europarechtskonforme Auslegung des AGG führe jedoch dazu, als der Anwendungsbereich des AGG auch auf Fremdgeschäftsführer über dessen § 2 Abs. 1 Nummer 2 eröffnet sei. Unionsrechtlich sei ein Fremdgeschäftsführer jedenfalls als Arbeitnehmer anzusehen, da er den Vorgaben der Gesellschafter Folge zu leisten habe und auch jederzeit als Geschäftsführer abberufen werden könne.
Was den Rechtsweg für solche Auseinandersetzungen anlangt, so verbleibt es jedenfalls, wie die Entscheidung zeigt (der BGH und die Vorinstanzen hatten ja zumindest implizit ihre Zuständigkeit bejaht), bei der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für Streitigkeiten zwischen einem GmbH-Geschäftsführer und der GmbH selbst. Der Weg zu den Arbeitsgerichten ist nicht eröffnet. Dies zeigt auch die eingangs zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, das in seinem Beschluss festhielt, dass die Frage des Rechtsweges nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts falle. Hier sei vielmehr der nationale und nicht der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff anzuwenden. Der Fremdgeschäftsführer einer deutschen GmbH sei jedoch keine arbeitnehmerähnliche, sondern eine arbeitgeberähnliche Person. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist daher für Geschäftsführer nach den Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes (§§ 2 und 5) nicht eröffnet.
Praxishinweis
Verträge mit GmbH-Geschäftsführern sind auf mögliche Verstöße gegen das AGG zu untersuchen und gegebenenfalls - einvernehmlich - zu ändern. Bei der Gestaltung zukünftiger Verträge ist auf die Konformität mit der neuen Rechtsprechung des BGH zu achten. Dabei sind übrigens Vorschriften, die der unionsrechtlichen Mutterschutz-Richtlinie und der Massenentlassung-Richtlinie widersprechen, ebenfalls zu vermeiden; sie finden nach Entscheidungen des europäischen Gerichtshofes ebenfalls auf Fremdgeschäftsführer Anwendung.